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„Gott schläft nicht“

USINGER ANZEIGER, erschienen am 16.07.2019 um 12:00 Uhr

Eine Gruppe der evangelischen Kirchengemeinde Wehrheim besucht den Kongo und erlebt viel Herzlichkeit, aber auch den täglichen Kampf ums Überleben

Eindrücke aus dem täglichen Leben im Kongo. Alle Fotos: Gerrit Mai

WEHRHEIM (RED) – Die evangelische Kirchengemeinde Wehrheim hat eine eindrucksvolle Reise hinter sich. Hannelore Gal, Gerrit Mai, Matthias Laux und Philippe Yangala machten sich auf den Weg in den Kongo, genauer nach Lubumbashi, und statteten der Partnerkirche Eproba Ceba einen Besuch ab. Über ihre Erlebnisse dort haben sie eine kleine Reportage geschrieben.
„Die Kongolesen haben neue Hoffnung bekommen. In der Demokratischen Republik Kongo hat sich in den acht Jahren, die seit dem letzten Besuch einer Gruppe aus Wehrheim vergangen sind, schon etwas verändert. Nach den Wahlen und mit dem neuen Präsidenten Felix Tshisekedi hoffen die Mitglieder der Partnerkirche Ceba der evangelischen Kirchengemeinde Wehrheim auf weitere Verbesserungen. Bei dem miserablen Zustand, in dem sich das Land befindet, geht das allerdings nicht von heute auf Morgen, auch das haben, Hannelore Gal, Gerrit Mai, Matthias Laux und Philippe Yangala in den beiden Wochen festgestellt.
Sicher ist in der zweitgrößten Stadt des Landes gar nichts, und die Gastgeber – unter ihnen auch Bischof Elie Kabwe, der Sohn des Kirchengründers Kabwe Ka Leza – begleiten die Wehrheimer Delegation bei ihren Exkursionen.

Das Bild zeigt die Schule Mulinzi, die von den Wehrheimern finanziert wurde.

Eine Reise in den Kongo ist eine Erfahrung der besonderen Art. Der Ausspruch: „C’est le Congo – das ist der Kongo“ bezieht sich auf viele Diskrepanzen: Für Gäste geben die Menschen ihr letztes, auch wenn sie am nächsten Tag nicht wissen, wie sie überleben sollen.
Wie das aussieht, davon haben die „Mamans“ – das ist ein Ehrentitel für Frauen – in dreistündigen offenen und für die Besucher aus Wehrheim bewegenden bis bedrückenden Gesprächen erzählt. Der Alltag beginnt morgens um 4 Uhr mit der Beschaffung von Waren, die sie kaufen und mit geringem Gewinn weiter verkaufen können. Funktioniert das nicht, müssen auch die Kinder hungern. Meist gibt s auch nur eine Mahlzeit am Tag. Die Frauen sind stark, aber noch lange nicht gleichberechtigt. Männer bestimmen auch die Geschicke der Kirche. Die Frauengruppe braucht zu den meisten Entscheidungen die Zustimmung der Männer. Doch haben die Frauen ihre eigene Solidaritätskasse, aus der in Not Geratene Unterstützung bekommen. Mädchen heiraten früh, Prostitution als Einnahmequelle, aber auch Vergewaltigungen sind nicht selten. Viele müssen Schule oder Universität abbrechen, weil das Geld fehlt. Das wiederum vermindert die Einnahmen der Lehrer, die sowieso schon kaum von ihrem Verdienst leben können. Von maroden Gebäuden und fehlender Ausstattung gar nicht zu reden.
Auch die Pfarrer der vielen kleinen Gemeinden haben es schwer, sie bekommen kein Gehalt und müssen ihren Lebensunterhalt auf andere Weise verdienen. Arbeit zu finden ist schwer, da die Arbeitslosenquote extrem hoch ist. Auch mit guter Ausbildung oder Universitätsabschluss haben junge Leute kaum eine Chance auf einen Arbeitsplatz – ein Kreislauf, der nicht zu durchbrechen scheint.
Die Wehrheimer besuchen den Gouverneur und den Minister für Gesundheit der Provinz Haut Katanga. Beide betonen die Bedeutung der Arbeit der Kirchen für Gesundheit und Ausbildung der Bevölkerung, hoffen aber auch, dass der Staat das irgendwann übernehmen kann.

Absolute Armut

Ein Ausflug an die Grenze zu Sambia zeigt eine weitere Diskrepanz. Dort werden durch den Warenexport – vor allem Bodenschätze – nach Nigeria, Südafrika und weiteren Länder Afrikas hohe Zölle eingenommen. Doch der Stadt kommt das nicht zugute. Die absolute Armut Kasumbalesas ist offensichtlich. Auch dort gibt es eine Gemeinde der Kirche Ceba, und ein städtisches Krankenhaus, bei dem die Mittellosigkeit aus jedem der engen, dunklen Räume schaut.
Wie anders ist doch das Hospital „Rose Vogelmann“, benannt nach der Krankenschwester Rose Vogelmann, mit der Anfang der 1970er-Jahre die Partnerschaft begonnen hat. Das haben Spender der Partnerkirche aus Wehrheim in den letzten acht Jahren mit finanziert. Der Höhepunkt der Wehrheimer Besuchergruppe war die Einweihung des Hospitales, zu der auch der Gesundheitsminister Dr. Joseph Sambi gekommen ist. Das ist wichtig, denn mit ihm müssen die Mitarbeiter zusammenarbeiten. Leiter ist der Arzt Dr. Mike, der schon in der Gesundheitsstation, die früher am gleichen Ort gestanden hat, tätig war. Er behandelt auch Menschen, die nicht zahlen können, und das ist im bettelarmen Stadtteil Katuba besonders wichtig. Als besonderes Geschenk brachten die Wehrheimer „Paul“ mit – eine von der Universität Kassel entwickelte Wasseraufbereitungsanlage, die täglich 1200 Liter verunreinigtes Wasser zu Trinkwasser filtern kann.

Der Glaube hilft

Von unschätzbarem Wert für die Partner ist der kongolesische Geschäftsführer Pfarrer Baudouin Lwinda, der seit vielen Jahren zuverlässig und solide das Spendengeld etwa für die Finanzierung des Krankenhauses, aber auch für Patenschaften verwaltet und verteilt.
Er ist sicher, dass Gott, an den viele Kongolesen fest glauben, den Kongo nicht verlassen hat, wie manche annehmen könnten. Schlafen dürfte er auch nicht, das zeigt die Tatsache, dass die Bevölkerung allen Problemen zum Trotz überlebt. Ihre lebendigen Gottesdienste und ihre vertrauensvollen Gebete sind für die Wehrheimer Besucher ergreifende Zeugnisse dafür geworden, wie der harte Alltag durch gelebten Glauben bewältigt werden kann.
Die Delegation aus Wehrheim hat erneut die Gastfreundschaft und die Herzlichkeit der Partner erfahren dürfen und wird nach den vielen eindrücklichen Gesprächen in nächster Zeit entscheiden, wie weitere Hilfe aussehen kann. Zwei Dinge stehen im Vordergrund: Die Unterstützung der Frauen und die der Schüler.
Am Sonntag, 28. Juli, um 10 Uhr in der Evangelischen Kirche in Wehrheim wird die Besuchergruppe einen Gottesdienst mit ihren Eindrücken aus Lubumbashi gestalten.
Es gibt für den Kongo ein Spendenkonto bei der Raiffeisenbank Oberursel: Ev. Kirchengemeinde Wehrheim, Partnerkirche CEBA-Kongo – IBAN DE23 5006 1741 0305 0109 42.